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Es gibt sie immer noch, die Titanen des Rennsports. Wilde Rennstrecken-Götter an abgelegenen Orten, manchmal Hunderte von Kilometern lang. Früher musste man ihnen Menschen und Maschinen opfern, heute nehmen sie sich nicht mehr allzu ernst. Wollen nach Jahrzehnten von Blut, Schweiß und Tränen endlich einmal mehr Spaß als Leiden haben, aber im Kern geht es immer noch um eines: Gewaltig Gas geben. Autos über Stunden in Grenzbereich bewegen, eintauchen in eine Welt aus Adrenalin und Flow, Kampf gegen die Stoppuhr und den einen Konkurrenten, von dem Du weißt, dass Dir sein heißer Atem im Nacken sitzt – oder dass Du seine größte Plage bist, sein Albtraum.

  • Sie heißen Mille Miglia, Targa Florio oder Carrera Panamericana, sie sind wahre Kathedralen des Vollgas-Kults und in ihren heutigen Formaten geht es nicht mehr um das reine Ergebnis des Rennens, sondern um den Sinn dahinter. Um den Spirit. Um das Wesen einer Zeit, als man noch im Renntempo über die Berge flegelte und dabei Geschichte schrieb. Zum Beispiel in Mexiko, beim Rennen von der Grenze nach Guatemala bis in den Norden, nach Ciudad Juarez: Bei der Carrera Panamericana. Mehr als eine Legende ist hier zwischen Regenwald und Wüste geschrieben worden, Porsche nennt sein wohl bekanntestes Modell nach diesem Rennen. Und hat allen Grund dazu.

  • Mit dem Rennen von 1952, bei dem zwei privat eingesetzte Porsche antraten, drängte sich die Carrera Panamericana ins Bewusstsein der Marke und löste dort einen sofortigen Beißinstinkt aus: Wer ein solches Rennen gewinnen kann, ist kurz danach ausverkauft, so sind Anfang der 1950er-Jahre die Spielregeln im Autogeschäft. Die kleine, deutsche Sportwagenmarke hat den US-Markt im Visier und das Hardcore-Rennen durch Mexiko verspricht maximale Öffentlichkeitswirkung – wenn man denn gewinnen kann. Bei der Panamericana 1953 funktioniert das nur durch eine Riesenportion Glück. Nachdem das Porsche-Werksteam von konstantem Pech verfolgt ausfällt, sind es erneut private Porsche-Fahrer, die den Carrera-Sieg holen. 1954 ist Porsche zurück, hat seine Hausaufgaben gemacht und dieses Mal auch eine große Portion Glück: Ein Doppel-Klassensieg geht an Porsche, die beiden 550 Spyder der Fahrer Hans Hermann und Jaroslav Juhan schaffen es sogar auf die Plätze drei und vier der Gesamtwertung. Und Porsche feiert seitdem immer noch: Mit jedem Modell das den spanischen Namen „Rennen“ trägt: Carrera.

  • Über siebzig Jahre nach dem ersten Rennstart gibt es die Carrera Panamericana immer noch und auch heute noch ist ein Porsche Garant für Spitzenplätze sowie das reine Panamericana-Feeling. Das erzählen zumindest die Fahrer, die sich an den magischen Tagen zwischen dem 15. und 21. Oktober 2021 auf die 4261 Kilometer lange Reise quer durch Mexiko gemacht haben: Start im Süden, mit den Etappen von Oaxaca über Veracruz und Mexiko-Stadt bis Morelia. Dann nach Aguascalientes und Durango, Parras und endlich zum Ziel in Saltillo. Dazwischen lassen Wüsten und Urwälder die Autos und Fahrer nicht mehr aus ihrem Griff, vor allem aber sind es die durchgeknallten Sonderprüfungen im Geist der alten Carrera Panamericana, die alles fordern und alles geben: In Summe 642 Kilometer auf für den Gegenverkehr gesperrten Etappen, und mit erbarmungslos tickender Uhr. Hundertstelsekunden werden damals wie heute von den unbarmherzigen TAG Heuer-Stoppuhren der Zeitmessung gewogen – auch TAG Heuer nennt ja eine Ikone der Marke „Carrera“ — und Du willst nicht für zu leicht befunden werden. Also gib Alles: Endlos lange Geraden prüfen die Vollgasfestigkeit des Materials ebenso wie die Fähigkeit zu mächtigem Speed, schnappende Kurven prügeln Reifen, Fahrwerke, Arme klein, lassen aber auch die Augen leuchten. An der Königsetappe „Espinazo del Diablo“ (Rückgrat des Teufels) solltest Du dann alles im Griff haben: Maschine, Herz und Koordination, denn jetzt fordern Dich 3000 Kurven auf bis zu 3000 Metern über Meereshöhe. Und das, wo Dich der hypnotische Rhythmus aus wenig Schlaf und dann wieder ununterbrochener Fahrt zwingend in seinem Griff hält. Die Welt verschwimmt, geht ineinander über, Tag und Nacht, Kurve und Gerade.

    Am Ende sind es vielleicht die Herzlichkeit und Gastfreundlichkeit der Mexikaner, Ihre Begeisterung und der Jubel, der lange nach dem Ende der Fahrt immer noch bleibt, während die Carrera zu einem bunten Rausch aus Freude und Geschwindigkeit wird.

    Carrera Panamericana 2021

    Klasse “Major Tourism” / 1. Platz: Ricardo Cordero auf 1953 Studebaker Champion

    Klasse „Historic A Plus“ / 1. Platz: Fernando Urquiza auf 1972 Porsche 914, 18. Platz im Gesamtklassement

    Klasse “Historic B” / 1. Platz: Mauricio Uribe auf 1977 Porsche 911, 21. Platz im Gesamtklassement

    Klasse „Historic B Plus“ / 1. Platz: Miguel Granados auf 1974 Porsche 911, 4. Platz im Gesamtklassement, 2. Platz: Alexis Uribe auf 1968 Porsche 912, 5. Platz im Gesamtklassement, 3. Platz: Diego Cándano auf 1974 Porsche 911, 7. Platz im Gesamtklassement

    Klasse „Production Tourism“ / 1. Platz: Benito Guerra (Sr.) auf 1954 Studebaker Champion

    Klasse “Sport Minor” / 2. Platz: Fabián González auf 1953 Porsche 356, 35. Platz im Gesamtklassement

    Mehr Infos unter: lacarrerapanamericana.com.mx

    Pictures: Steca/Bogner