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Süddeutschland, das gibt es überhaupt nicht. Nicht als zusammenhängende Landschaft. Nicht als Einheit. Zu sehr zerrten die einstigen europäischen Großmächte über die Badener, Schwaben und Bayern hinweg, als dass man Zeit gehabt hätte, sich zusammenzuraufen. Oder gar eine gemeinsame Identität auszuknobeln. Wer quer durchs Land unterwegs ist, wird verblüfft sein über die manifesten Unterschiede. Sprache und Kultur, Essen und Religion, Temperamente und Wertekataloge sind äußerst vielfältig. Die ehemals kleinen Fürstentümer, die den Südwesten Deutschlands zu einem unüberschaubaren Flickenteppich machten – sie sind immer noch präsent. Das von Adeligen vererbte und vom Klerus verschacherte Land Badens und Württembergs ist kleinteilig, es gibt keine klare, große Geschichte, nur sehr viele kleine Geschichten. Ganz anders verhält es sich beim bayrischen Südosten, der historisch in einer Hand war und dem man dies auch heute noch durch eine durchgehende Grundstimmung abspürt. – All das macht Süddeutschland ungemein reizvoll und spannend. Wer hier mit offenen Augen unterwegs ist, stolpert über dicht gepackte Vergangenheit, und er hat es mit einem Menschenschlag zu tun, der ein Spiegelbild dieser turbulenten und bewegten Geschichte ist.

  • Vielleicht muss man aus dem Süden Deutschlands kommen, um unter der herzhaften, herben Schale den gutmütigen und zugewandten Kern seiner Leute zu erkennen. Touristen aus dem Ausland verdienen freilich einen vorsichtigen Warnhinweis: Asiatische Kulturen beispielweise, deren Webmuster aus aufwändig inszenierter und ritualisierter Freundlichkeit besteht, könnten von der robusten Gangart des Bayern im Normalmodus schockiert sein oder die herausfordernde Trockenheit und Strenge der Schwaben leicht als Desinteresse, Besserwisserei oder Ablehnung missverstehen. Selbst Norddeutsche – und deren Heimat beginnt aus der bayrischen Perspektive gleich hinter Nürnberg, aus badisch-schwäbischer Wahrnehmung irgendwo bei Köln – haben so ihre Kommunikationsprobleme mit den Menschen im Süden Deutschlands. Und das nicht nur, weil sich die Dialekte der Schwaben und Bayern so weit entfernt vom Hochdeutschen eingependelt haben: Schweigen gilt im Süden als ein herzhaftes Lob, man lehnt allzu viel Entgegenkommen als unangenehme Unterwürfigkeit oder Bevormundung des Gegenübers ab und redet gern mit betont karger Wortwahl. Es sei denn, es geht um Schimpf- und Fluchworte der kernigsten Sorte, dann ist das Repertoire des Bayern üppig, bunt und einfallsreich, und auch die Schwaben kombinieren gerne bandwurmartige Fluch-Ungetüme zu Liebkosungen für Feind oder noch lieber den besten Freund. Lediglich wenn es ums Essen und Trinken geht, hellen sich die Mienen der nördlichen Nachbarn auf, jetzt kann endlich geschlemmt werden. Die Küche der Nordländer ist nämlich von verdrießlicher Hausmannskost geprägt, in Köln bietet man gar ein belegtes Käsebrot als „Halven Hahn“ an – derartige Hungerleidereien sind im Süden der Republik undenkbar. In Baden baut man hervorragenden Wein an, die Küche ist von französischer Finesse geprägt. Derbe wird es im Schwarzwald, hier duftet geräucherter Schinken recht kantig, die fast kniehohe Kirschtorte täuscht duftig „Sahne-haubend“ große Freundlichkeit vor und schlägt dann mit harter, rechter Schnapsgeraden brutal zu. Mit „Kirsche“ ist hier nicht etwa die Frucht gemeint, sondern ihr klares, alkoholisches Destillat – aber das merkst du erst, wenn es zu spät ist. Ganze Senioren-Busreisegesellschaften sollen es unter dem Fluch der Kirschtorte nur mit Mühe, Not und häufigen Stopps wieder aus dem Schwarzwald hinausgeschafft haben –, um ein Jahr später wieder schicksalhaft zurückzukehren.

  • Schwaben schwelgt dann in Innereien, Soßen und den weltbekannten Spätzle, die auf jeden Fall handgeschabt sein müssen, das heißt in halbflüssiger Teigform von einem Holzbrett mit dem Messer in kochendes Wasser geschnipst. Es soll bei diesem Handwerk schon über das Zustandekommen von Ehen entschieden worden sein –, wenn die Schwiegermutter in spe der geplanten Zukünftigen des Sohnes beim Spätzleschaben über die Schulter geschaut und die Konsistenz des Teigs für ebenso ungenügend wie die Gestalt der Spätzle befunden hatte. Wiedergutmachung war dann nur mit der perfekten Maultasche möglich, einer Art gefüllter Fleisch-Zwiebel-Brötchen- Riesen-Ravioli, die man wahlweise in Brühe oder überbacken verschlingt. Dass die Maultaschen auch „Herrgottsbscheißerle“ genannt werden, Gottesbetrüger also, ist ein hübscher Fingerzeig auf die Religiosität des Südens: Während der Fastenzeiten glaubte man die Fleischfüllung im Nudelmantel der Maultasche vor dem Angesicht des Herrn gut verborgen. Aber die frommen Schwaben trugen auch auf andere Weise zur kulinarischen Fortentwicklung bei: Zuhause in Württemberg galt Fresslust als Verschwendung und Sünde. Dass es im badischen Schwarzwald, in Reichweite des schwäbischen Westens heute viele Sterne-Gastronomen gibt, soll der verstohlenen lukullischen Landflucht vieler Schwaben zu den sonst ungeliebten badischen Nachbarn geschuldet sein.

    In Bayern ist dann alles anders, aber genau so lecker und deftig: Weißwürste baden in süßem Senf, Schweinshaxen knuspern, Knödel dampfen und beim Nachtisch verrät sich der Bayer als Nachbar und Blutsverwandter des Österreichers: Süß, kross, fruchtig, frittiert und voll zuckriger Verderbtheit schlemmt man sich dem Herzstillstand entgegen. Die ganze Zeit ist der Bierpegel angestiegen – vom badischen Wein bis zum bayrischen Gersten- und Hopfenglück ist es ein weiter Weg. Glücklich, wer ihn ganz hinter sich bringen darf und keinen Tropfen auslassen muss. Es sei aber zugegeben, dass das bayrische Bier nicht umsonst Weltruhm genießt: Drall und fruchtig, angenehm herb, fein und rustikal zugleich schießt es für uns jeden Champagner aus den Socken. Genau so vielfältig wie Geschichte, Kultur, Menschen und Gastronomie des Südens sind seine Landschaften: Einen wirklichen Favoriten haben wir nicht, die eigentümliche Herbheit des Schwarzwalds ist uns ebenso lieb wie das milde Land nördlich des Bodensees, die bayrischen Seen und die wilde Schönheit der Bayerischen Alpen.

    Sie spüren es: Wir können es kaum erwarten, endlich mit Ihnen auf die Reise zu gehen, bei Baden-Baden in den Schwarzwald zu ziehen und erst wieder von dieser großen Route quer durch Deutschland abzulassen, wenn wir es bis zum Königssee geschafft haben, ans östliche Ende Bayerns. Wir würden uns aber freuen, wenn sich außer einer großen Lust am unbekümmerten Unterwegssein auch eine Freude an den vielen Geschichten dieses Landes entfalten würde. Eines hat uns dieses Land und seine Geschichte nämlich intensiv gelehrt: Freiheit ist ein Privileg, keine Selbstverständlichkeit. Fahren im CURVES-Stil heißt also: Achtsam sein, respektvoll sein. Offen sein. Aber wem sagen wir das. Genau deshalb sind Sie ja hier.