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• Beautiful photographs portray the stunning coastal roads of Germany
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• Perfect tips for routes and sightseeing

Neulich zwischen Bunyola und Sóller, im verbissenen Infight mit dem Serpentinen-Inferno des Coll de Sóller, vollkommen aufgelöst im glückseligen Stakkato von Anbremsen, Luftholen, Einlenken, Verharren im Scheitelpunkt-Schwebezustand, Luftanhalten, Auslenken, Ausatmen, Beschleunigen. Plötzlich zarter Haftungsabriss an der Hinterachse, minimales Gegenlenken und gleichzeitig ein herrliches Bergpanorama im Blick. In dieser köstlichen Millisekunde hatten wir eine Eingebung: Wir wollen jetzt nicht behaupten, dass die meisten Menschen Mallorca aus den falschen Gründen lieben, sind aber fest davon überzeugt, dass es auf diesen 3600 Quadratkilometern im westlichen Mittelmeer mehr zu entdecken gibt, als gemeinhin bekannt ist. Mallorca ist einsam und vielschichtig, erhaben und schroff, mächtig und voller Spannung. Die Straßen gehören zum Besten, was man mit Asphalt anstellen kann, sie sind ein Fest des Soulful Driving. Muss man für Mallorca eigentlich noch eine Lanze brechen? Muss man wirklich erzählen, wie großartig diese Insel ist? Einen Moment lang war uns klar: Ja! Denn wo sonst sollten wir Soulful Drivers sein wollen, in Momenten wie diesem, wenn nicht hier?

  • Mallorca? – Ja, tatsächlich, Mallorca. Keine Lust auf Erklärungsbedarf, aber vermutlich muss das sein. Denn: Diese Insel polarisiert. Sie ist zu einer Karikatur geworden – und das zu Unrecht. Perspektive eins zeichnet ein schockierendes Bild von der Hauptsache-billig-Sonne-All-Inclusive-Mentalität unglaublicher Touristenmassen, die jeden Sommer die Insel fluten wie eine biblische Heuschreckenplage, den alkoholbefeuerten Vergnügungs-Exzessen des Massentourismus, der Gentrifizierung ganzer Viertel und Gegenden oder dem AirBnB-Ausverkauf privaten Wohnraums. Perspektive zwei schottet sich in rührseliger Finca-Romantik ab, preist auf naivem Gefühls-Autopilot die unberührte Schönheit vieler Ecken Mallorcas und biedert sich mit betulichem Insider-Selbstverständnis als Insel-Versteher an. Frei nach dem Motto: So schlimm ist das doch alles nicht. Irgendwo dazwischen finden sich dann noch die Auswanderer, die vermutlich irgendwann beim Sangria das Gefühl bekommen haben, Mallorca könne eine prekäre Existenz in eine Erfolgsgeschichte verwandeln und ihr krachendes Scheitern in der Fehleinschätzung eigener Originalität auch noch fürs Reality-TV dokumentieren lassen.

    Ist das Mallorca? – Ganz bestimmt nicht. Es darf aber festgehalten werden: Hier läuft etwas gewaltig schief, die Tourismus-Maschine überhitzt und die Mallorquiner tun ganz recht daran, sich immer mehr gegen den Ausverkauf ihrer Insel zu wehren. Das eigentliche Problem ist aber, dass Mallorca zwischen allen Stereotypen nur noch schwer zu erkennen ist und in der öffentlichen Wahrnehmung regelrecht schizophren präsentiert wird. Entweder wird nur über Probleme gesprochen oder man blendet sie gezielt aus. Vielleicht geht das auch gar nicht anders, wenn man als bestimmende Perspektive den analysierenden Blick von außen wählt. Es könnte deshalb ganz gut sein, und legitim obendrein, sich keinem dieser Blickwinkel anzuschließen. Einen Schritt zurück in respektvollen Abstand zu gehen. Für Nicht-Mallorquiner gilt nämlich vor allem eines: Mallorca gehört uns nicht. Daran ändern auch wohlige Urlaubsgefühle nichts, gefühlsüberfrachtete Erinnerungen oder der Eindruck nach soundso vielen Sommerferien auf der Insel irgendwie dazuzugehören. Mallorca ist eine fremde Gegend – wie übrigens so ziemlich jeder Ort auf der Welt –, die man am besten mit Respekt und Faszination entdeckt. Ohne den nötigen Abstand wird man kurzsichtig. Deshalb die Fakten aus dem CURVES-Cockpit: Mallorca ist die größte Insel der Balearen-Gruppe im westlichen Mittelmeer. In Ost-West-Richtung rund 100 Kilometer breit und von Norden nach Süden 80 Kilometer lang, mit einer Küstenlinie von etwas mehr als 550 Kilometern. Das Wetter ist im Sommer heiß und sonnig, im Winter mild und gelegentlich regnerisch. Geologisch liegt Mallorca zusammen mit den anderen Balearen-Inseln (Menorca, Ibiza, Formentera und über 140 weiteren, unbewohnten Inseln) auf der Iberischen Platte, politisch gehören die Balearen als eine autonome Gemeinschaft zum Königreich Spanien, der auf Mallorca gesprochene mallorquinische Dialekt ist eine Form des Katalanischen. Nach einer steinzeitlichen Besiedlung aus Iberien und der heutigen Provençe konnte sich Mallorca lange Zeit unter dem Radar der großen europäischen Geschichte halten, eine Phase in Zugehörigkeit zum Reich Karthagos ist ebenso hervorzuheben wie der spätere Wechsel ins Römische Reich. Es folgen maurische und normannische Einflüsse ebenso wie die jüngere Zugehörigkeit zu Spanien – prägend bleibt aber die mallorquinische Kultur. Typisch für Inseln. Man lässt kommen und gehen, man bleibt.

    Wer mit offenen Augen nach Mallorca kommt, wird diesen herben, selbstbewussten Charakter schnell erkennen und schätzen lernen. Er ist wie die Landschaft der Insel: Raue und ursprüngliche Gegenden machen sie im Wesentlichen aus. Gleich hinter Palma, S’Arenal und Magaluf breitet sich die Pla de Mallorca ins Landesinnere aus, eine im Sommer brütend heiße Ebene mit derbem landwirtschaftlichem Charakter, so ehrlich wie der schwielige Händedruck eines Mandelbaum-Bauern. Zum Nordwesten hin folgt die Region Es Raiguer, das Hügelland am Übergang in die Serra de Tramuntana mit ihren über 1000 Meter hohen Bergen. Wild und einsam schafft es der Westen Mallorcas achselzuckend und unberührt vom Entertainment-Tourismus selbst über die Sommermonate. Das Llevant-Gebirge im Osten hingegen zeigt sich Besuchern gegenüber ein wenig aufgeschlossener – der ländlichen Gegend im Südosten zeigen wiederum die Touristen häufig eine kalte Schulter. Zu einfach, zu wenig spektakulär.

    Für Besucher die das eigentliche Wesen Mallorcas erkunden wollen, entsteht auf einer Rundreise um und über die Insel mit der Zeit ein ganz besonderer Eindruck: Hier kann man sich verlieren. Mallorca ist zu vielfältig, um einfach zu begreifen oder langweilig zu sein. Mallorca hat Gewicht, eine natürliche, erdende Gravitationsenergie, die aus in Jahrhunderten gewachsener Kultur und einer ursprünglichen Natur herrührt. Die an manchen Orten anzutreffende dünne Schicht von künstlicher Tourismus-Parallelwelt wirkt immer so, als sei sie in einem Moment abzuschütteln, die aufgeblasenen Bettenburgen und lärmenden Party-Epizentren ebenso wie das aalglatte Treiben der Vermarktungs-Experten. Luftballon. Nadel. Bamm. Und Mallorca wird immer noch da sein.

    Um diese Objektivität zu erreichen, hilft es, sich auf den Weg zu machen. Zu Fuß über die Serra Tramuntana. Mit dem Fahrrad rund um die Insel. Oder mit dem Auto. Einfach losfahren. Die Augen offenhalten. Keine Gefühle jagen, sondern das Leben geschehen lassen. Man mag es – geimpft durch lärmende Last-Minute-Tourismus-Angebote oder Krisen-Portraits – kaum glauben, aber Mallorca ist ziemlich gut in genau einer zeitlosen Disziplin: da sein. Auf der Entdeckungsreise in diese Stille einer selbstbewussten Landschaft trifft man zuerst auf eine Natur, die weit und herb ist, sinnlich und pur. Menschen, die mediterrane Kargheit mögen, sind hier genau richtig. Eine uralte Kulturlandschaft bringt einen dann zu den Menschen, die gefühlt nichts erschüttern kann und unter vorsichtiger Reserviertheit großes Interesse und Wärme verbergen. Und dann sind da noch die Geschichten, die dieses Land erzählt. Episch, tragisch, manchmal sogar komisch. Mit Sonne, Strand und leichtem Leben hat das alles ganz selten etwas zu tun. Sondern im Wesentlichen mit Schönheit. Mallorca, das ist überraschend gut.