Letzte Woche war ich in Bayern unterwegs, um für die nächste Ausgabe von Curves die schönsten Straßen Süddeutschlands zu fotografieren, als ich im Radio vom Tod des »Kraftwerk«-Mitgründers Florian Schneider erfuhr. Obwohl ich ihn nicht persönlich gekannt hatte, berührte mich die Nachricht und brachte mich zum Nachdenken. In Bayern war Florian Schneider oft mit seinem Rennrad unterwegs gewesen. Sein Vater, ein berühmter Architekt, lebte in Fischbauchau nahe Bayrischzell. Da bin ich gerade noch durchgefahren auf dem Weg zum Tatzelwurm. Mir fiel wieder ein, wie ich vor einigen Jahren beim Management von »Kraftwerk« um die Erlaubnis gebeten hatte, eines der Stücke aus dem Album »Tour de France« für einen Film von Curves verwenden zu dürfen. Zu der Zeit fotografierte ich gerade die französischen Alpenpässe und hoffte insgeheim, den Radsportlern von Kraftwerk für die Vertonung eines Passes gewinnen zu können. Leider wurde nichts daraus, ich erhielt eine höfliche Absage. Dafür war Martin Gretschmann von »Console« so nett, mit ein wunderbares Stück aus Rennradsoundssamples zu komponieren.
Dennoch ist und bleibt die Musik von »Kraftwerk« mein persönlicher Soundtrack zu den Curves-Magazinen. Auf jeder Reise gibt es einen Tag, an dem ich praktisch nur Tracks von Kraftwerk laufen lasse. Ich finde es unglaublich, wie frisch die elektronische Musik, teilweise 40 Jahre alt, heute noch klingt und wirkt. Die Texte waren schlicht visionär, die Musik minimal und voller Wucht. Ein Blick in die Charts von einst genügt, um zu begreifen, wieviele Dekaden »Kraftwerk« seiner Zeit voraus war. Die analogen Synthesizer, Sequenzer, Drumcomputer und Vocoder aus den 1970er und 1980er Jahren klingen heute besser denn je. Vielleicht ist es wie mit alten Autos, Motorrädern und Fahrrädern – die Grenzen der Technik haben zu Höchstleistung geführt.
Ich muss etwa zehn Jahre alt gewesen sein, als ich mir das Album »Mensch Maschine« kaufte – und sofort wie besessen war von der Klarheit der Musik. Seitdem hat mich Kraftwerk nicht losgelassen. Die Musik war wie für viele andere auch für mich der Auslöser, selbst Musik zu machen. Etwas später nahm ich Klavierunterricht, kaufte mir meine ersten Synthesizer zusammen, spielte in Bands. Noch heute schraube ich zur Entspannung zwischen meinen Reisen und Heftproduktionen an meinen Moogs herum, immer auf den Spuren von Florian Schneider und den Elektro-Pionieren, die mit Kraftwerk ein musikalisches Jahrhunderterbe hinterlassen haben. Und auch wenn den meisten Menschen heute zu “Kraftwerk” wohl treibende Nachtfahrten auf schnurgeraden Autobahnen in den Sinn kommen, liefern sie für mich noch immer den beglückenden Soundtrack zur Kurve.
Vielen Dank für die Musik, Vielen Dank für die unvergesslichen Momente …