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Was gäbe es für einen besseren Ort, um den neuen Porsche 718 Cayman S auszuwildern, als das raue Hinterland von Sizilien? Eine Fahrt mit dem Vierzylinder-Mittelmotorcoupé auf den Spuren der Targa Florio. 

 

  • Sicherlich, der Porsche 911 mag die große Sportwagenikone sein – doch der Elfer in seiner neuesten Form ist doch eher ein komfortabler Gran Turismo als ein brettharter Kurvenjäger. Für eine knappe Woche auf den Spuren des härtesten Straßenrennen Europas, der legendären Targa Florio auf Sizilien, haben wir uns deshalb ein weniger kompromissbereites Zuffenhausener Katapult ausgeliehen – den brandneuen Porsche 718 Cayman S. Nicht von ungefährt trägt das kompakte Sportcoupé neuerdings jene drei Ziffern auf dem Heck, mit denen sich Porsche in den 1950er und 1960er Jahren in der Renngeschichte verewigt hat: Mit großen Piloten wie Hans Herrmann und Herbert Linge hinterm Volant, konnten sich die leichten und agilen Vierzylinder-Spyder selbst gegen die gewaltigen Renngeräte aus der Scuderia Ferrari durchsetzen. Viermal wurde der Porsche 718 Bergmeister, dreimal gewann er bei der berüchtigten Targa Florio. Mehr Kurvenkompetenz ging nicht

  • Umso größer ist natürlich unsere Neugier, als wir den ozeanblauen Vorserien-Cayman im wunderbar heruntergerockten Hafen von Palermo in Empfang nehmen: Wird der Neuling seinem großen Erbe gerecht? Und kann er auf jenen abenteuerlichen Landstraßen, auf denen sich von Tazio Nuvolari über Juan Manuel Fangio bis hin zu Jo Siffert und Vic Elford die großen Rennfahrer ihre Lorbeeren einfuhren, tatsächlich überzeugen? Zumindest was die technische Philosophie angeht, setzte der neue 718 die Linie seiner Ahnen fort: Mit vier statt wie bisher sechs Zylindern hat der Boxermotor in der Sport-Version fast einen Liter Hubraum eingebüsst. Dennoch drückt er dank variabler Turbo-Power gewaltige 350 PS auf den Asphalt. Das maximale Drehmoment liegt gar bei 420 Newtonmetern – und zwar schon zwischen 1.900 und 4.500 Touren. Für den Sprint aus dem Stand auf Tempo 100, so lesen wir bei einem schnellen Espresso in der Hafenspelunke noch einmal pflichtbewusst auf unseren Smartphones nach, braucht der Cayman 718 S gerade einmal 4,2 Sekunden. Die Autostrada entlang der Küste in Richtung Osten ist für derartig drastische Beschleunigungsversuche allerdings kaum der richtige Ort: Gondelt einmal kein verbeulter Fiat Punto vor einem auf der linken Spur, erinnern einen martialische Radar-Geschützkästen daran, dass mit der sizilianischen Polizei nicht zu Spaßen ist – Rennsport-Erbe und Targa Florio hin oder her. Eine knappe Fahrstunde später, kurz vor Cefalù, winkt uns das Navigationssytem jedoch runter von der Autobahn in hinauf in die rauen sizilianischen Berge. Und tatsächlich ändert sich die Szenerie augenblicklich: Ausgezehrt, verwaschen und von der Sonne ausgebrannt, zieht sich die Landstraße in scharfen, kaum einsehbaren Kehren durch’s Buschwerk. Zeit, in den Sportmodus zu wechseln und – klack, klack – mit den Schaltwippen die Zügel anzuziehen. Der eben noch sonor schnurrende Turbo ist nun deutlich aggressiver, bellt wie ein süditalienischer Hirtenhund, zieht und zerrt nach vorn. Auch das Stabilitätsmanagement hat alle Hände voll zu tun, das kleine Biest auf der Straße zu halten.

  • Doch es ist Vorsicht geboten: Hinter jeder zweiten Kurve gähnt knietief ein Schlagloch im Asphalt. Die lokale Dorfjugend interessiert sich zudem nur mäßig für Fahrspuren. Und auch die Schafe und Ziegen grasen meist so nah am Straßenrand, dass ein Tierpsychologe durchaus suizidale Tendenzen diagnostizieren würde. Die Raubvögel, die in einigem Abstand ihre Runden drehen, sind ähnlich beruhigend wie die rostigen Autowracks, die hier und da als makaberes Schmuckwerk zwischen den Felsen hängen. Andererseits: Wenn Fahrer wie Nino Vaccarella hier vor vier Jahrzehnten ihre 600 PS starken Prototypen-Rennwagen durch die Serpentinen gejagt haben, sollte unser High-Tech-Katapult mit seinen bissigen Keramikbremsen und den zahllosen Assistenzsystem die sizilianische Mutprobe allemal durchstehen.

    Vor allem das Porsche Active Suspension Management, das die Dämpferkraft für jedes Rad individuell regelt, ist auf der schotterigen Piste durchaus von Vorteil. Wer in Cerda oder Collesano wohnt und die einstige Targa-Florio-Route jeden Tag abfährt, sollte bei seiner Bestellung aber vielleicht auf die Tieferlegung des Sportfahrwerks verzichten – das Geräusch des frisch poliertem Zuffenhausener Unterbodens auf bröckelndem sizilianischem Asphalt ist auf die Dauer wohl nur schwer zu ertragen. Dafür lohnt sich hier durchaus die Wahl des optionalen Sechsgang-Schaltgetriebes, dass mit seiner dynamischen Zwischengasfunktion beim Herunterschalten nicht nur die optimale Drehzahl generiert, sondern auch wunderbar als akkustische Warnung für die bereits erwähnten, schwermütigen Schafe genutzt werden kann.

    Bei einem weiteren Espresso ziehen wir unser erstes Fazit: Wir haben es mit einem richtigen, kompromisslosen, durchaus ungestümen Sportgerät zu tun. Der Turbo macht den Schub zwar etwas gefälliger, dafür knallt es bei etwas höheren Touren umso mehr. Dass einem der Vierzylinder nur ein paar Handbreit entfernt im Rücken sitzt, macht die Sache noch eine Spur emotionaler. Schade eigentlich, dass es keine Blindtests für Sportwagen gibt – so heißblütig, wie sich der kleine Porsche trotz Downsizing und Zwangsbeatmung gibt, könnte sich die italienische Konkurrenz durchaus eine Scheibe abschneiden. Vor allem auf kurvigen Berg- und Talstrecken kann man die Klaviatur aus Gas, Bremse und Gangwechseln so herrlich hart spielen, dass selbst Hans Herrmann und Herbert Linge ihre helle Freude gehabt hätten. Der Porsche 718 Cayman trägt seine Ziffern zurecht, keine Frage.

    (c) Stefan Bogner & Jan Baedeker