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Der Porsche 356 Carrera Abarth war ein interkulturelles Wunderwerk. Als einmalige Melange aus teutonischer Gründlichkeit und italienischem Feuer zählt der 356 Carrera GTL Abarth zu den seltensten und schönsten Porsche Sportwagen – 550 Spyder und 917 inbegriffen. Dieses spezielle Exemplar beweist, dass er weitaus mehr bietet als nur ein hübsches Gesicht...

  • Es war eine simple Bedrohung, die diesen so appetitlichen Sportwagen an der Wende zu den 1960er-Jahren hervorbrachte. In der Saison 1959 erfuhr Porsches alternder 356 Carrera zunehmend Konkurrenz durch kleinvolumigere Modelle von Alfa Romeo und Lotus. Die Flucht nach vorn ermöglichte ein neuer Passus im FIA-Reglement, der den Einsatz einer neuen Karosserie erlaubte, so lange das Gewicht noch 95 Prozent des Originalmodells betrug. Der robuste und kraftvolle Fuhrmann-Viernockenwellen-Motor war ein fantastisches Triebwerk, und wenn man nun das Gewicht senken und zugleich die Aerodynamik verbessern könnte, würde das daraus erwachsene Auto das Zeug zum veritablen Favoritenschreck haben – dachten sie in Zuffenhausen.

    Weil sie so selten sind, liegt die frühe Geschichte der Carrera mit Abarth-Karosserie ziemlich im Dunkeln. Immerhin steht fest, dass Carlo Abarth den Auftrag für 20 Leichtbau-Karosserien auf Basis des 356 B-Chassis erhielt. Vermutlich erhielt er den Zuschlag dank der unglaublichen Siegesserie, die seine kleinen Rennwagen auf Fiat-Basis in Italien errangen. Dass er wie die Porsche-Familie auch aus Österreich kam, war beim Abschluss des Vertrags sicher auch nicht von Nachteil.

  • Der Wiener Abarth beauftragte prompt Franco Scaglione, der sich bereits durch das Design gewagter und windschnittiger Karosserien für Zagato einen Namen gemacht hatte. Und nun sollte auch Zagato die neuen Hüllen fabrizieren – so zumindest ließ es Abarth Porsch glauben. Aus welchem Grund auch immer – und offenbar ohne Wissen von Porsche – entstanden dann aber zumindest die allerersten Autos beim kleinen Turiner Karosseriebauer Viarenzo & Filliponi, ehe dann Rocco Motto, eine 1930 in Turin gegründete Carrozzeria, den Rest übernahm.

    Die neue Außenhaut für den 356 Carrera war mehr als nur schön. Zu Scagliones wichtigsten Zielen gehörte die Reduzierung der Stirnfläche um 15 Prozent, was ihm eindrucksvoll gelang. Der Wagen war rund 13 Zentimeter kürzer und flacher sowie zwölf Zentimeter schmaler als das Original. Dank cleverer Features wie den bündig liegenden und ausklappbaren Türgriffe sowie der aufklappbaren Lufthutze in der Motorhaube sank der Cw-Wert von 0,398 auf 0,365. Nach Verstärkung der Bodengruppe sank als Folge der Aluminium-Karosserie das Gewicht um 45 Kilo – womit der Porsche mit rund 780 Kilo noch über dem von der FIA festgesetzten Minimalgewicht blieb.

  • Wir können uns nur ausmalen, wie bestürzt man bei Porsche war, als die ersten Carrera GTL – wie sie getauft worden waren – in Stuttgart eintrafen. Nicht nur waren die Radhäuser so klein, dass sie den Lenkwinkel limitierten. Auch der Motor überhitzte stark, und das „Showcar“-Interieur machte es zusammen mit der niedrigen Dachlinie nur wenigen Ingenieuren möglich, überhaupt im Inneren Platz zu nehmen. Jede Menge Modifikationen wurden vorgenommen, darunter die zahlreichen Lüftungsschlitze am Heck, die dann sogar zu einem Alleinstellungsmerkmal des Carrera GTL werden sollten. Die zum Preis von je 6.200 Dollar angebotenen Autos waren schnell ausverkauft. Wie von Rennwagen zu erwarten, die per Hand von Karosseriebauern in Form gehämmert wurden, glich kein Auto dem anderen bis aufs Haar. Was wiederum, so stellen wir es uns vor, die Schwaben geärgert haben muss. Doch schnell wurden solche Frustrationen zur Nebensache, denn der Carrera GTL Abarth wurde in den Jahren 1960 bis 1963 wie erhofft zum Favoritenschreck. Er gewann zwischen 1961 und 1963 dreimal in Folge die Grand-Tourismo-Weltmeisterschaft bis zwei Liter Hubraum und war jahrelang auf Klassensiege abonniert.

    Dieses Exemplar in französisch Blau mit Chassisnummer #1002 fuhren Paul-Ernst Strähle und Antonio Pucci 1961 bei der Targa zum Klassensieg und auf Platz sechs im Gesamtklassement. In einem weiteren GTL belegte der spätere Formel 1-Weltmeister Graham Hill bei der Goodwood Tourist Trophy von 1960 P4 im Gesamt. In Le Mans errangen GTL dreimal infolge den Klassensieg. Es liegt in der Natur der Sache, dass Porsche-Legenden wie der 917 oder der 956 bis heute die größte Medienaufmerksamkeit für sich beanspruchen. Doch ist der im Vergleich eher unbekannte Porsche 356 Carrera GTL Abarth eine faszinierende Fußnote in der frühen Motorsportgeschichte von Porsche und ein seltenes Beispiel für einen Fall, bei dem sich die Schwaben fachmännische Unterstützung von außen holten. Das italienische Abenteuer war am Ende ein erfolgreiches, und der kurz darauffolgende 904 Carrera GTS legte dann den Grundstein für weitere Sportprotypen, die bis heute 19 Gesamtsiege bei den 24 Stunden von Le Mans einsammelten.

  • (c) Photos: Stefan Bogner Text: Classicdriver