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So ein Porsche ist schon ein High-Tech-Wunderwerk, keine Frage. Noch beeindruckender ist allerdings die Maschine, die ihn erst richtig zur Geltung bringt – das menschliche Gehirn. Dass beim Anblick eines Porsche 911 sofort die Synapsendisco beginnt, liegt schließlich nicht nur an der über 50 Jahre perfekt ausgestalteten Sportwagensilhouette und dem betörend knisternden und dröhnenden Boxermotor, sondern auch an der Evolution des Reiz-Reaktions-Schemas im Laufe der letzten 300.000 Jahren. Es ist das Zusammenspiel aus visuellen, akustischen und physikalischen Reizen, die sich in unserem Gehirn zu einem emotionalen Gesamterlebnis zusammenfügen. Doch was passiert, wenn einer dieser Schlüsselreize wegfällt? Der neue Porsche Taycan ist schließlich äußerst schick und schnell – aber was den Sound angehen eben eher silent.

  • Spätestens seit Ray Charles wissen wir: Falls ein Sinn wegfällt, fährt das Gehirn automatisch für die anderen Sinne die Wahrnehmungsleistung hoch. Und tatsächlich scheint es uns nach den ersten Stunden hinter dem Steuer des Taycan, als würden wir das Fahrerlebnis, das Gefühl der Bewegung des eigenen Körpers durch den Raum, intensiver und authentischer wahrnehmen – gerade weil der gewohnte Soundtrack fehlt. Wie bei einem Film ohne Musikunterlegung wirkt die Handlung mit ihrer natürlichen Geräuschkulisse unmittelbarer, näher. Und so fliegen wir auf unserer Thailand-Tour lautlos durch dampfende Straßenschluchten und tiefe Urwälder, die uns geradezu hyperreal erscheinen. Der klassische, die Beschleunigung unterstreichende Motorsound eines Verbrenners schafft immer ein künstliches Erlebnis und somit Distanz zwischen der eigenen Wahrnehmungsblase und der Umwelt. Der stille Vortrieb des Taycan macht es dagegen möglich, sich auch mit dem Gehör im Raum zu orientieren und somit Bild und Ton in Einklang zu bringen.

  • Zunächst erscheint es ungewohnt, wie ein Film ohne Soundtrack, doch dann macht die Unmittelbarkeit süchtig – und man kann gar nicht mehr genug bekommen vom stillen Gleiten durch Raum und Zeit.

    Text: Jan Karl Baedeker • Pics: Stefan Bogner