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Berge? Mount Everest. Champagner? Krug. King of Cool? Steve McQueen. 24 Stunden Rennen? Le Mans. Nichts gegen den Oldtimer Grand Prix. Nichts gegen Goodwood. Aber die Le Mans Classic ist alle 2 Jahre das Highlight der historischen Motorsportveranstaltungen. In 6 Gruppen, die Franzosen nennen sie Plateaus, die Engländer Grids, geht es mehrmals je für eine Stunde, nach Baujahren eingeteilt, am Tag und in der Nacht, rund um den legendärsten Kurs der Welt.

  • Die Engländer nennen Le Mans die südlichste Rennstrecke Englands und so sind das Fahrerlager, die Campingplätze und die Tribünen in manchen Ecken fest in englischer Hand. Ansonsten lieben wir das französische Flair, die Streckenposten, die erst vor 2 Wochen das moderne Le Mans betreut und organisiert haben, die Crepes Stände, den Rosé, die Baguette und vor allem lieben wir die Zeltstädte der einzelnen Plateaus.

  • Hier stehen sie, fein säuberlich aufgereiht, die Träume aller großen und kleinen Jungs. So kann man einerseits ganz wunderbar die Gegner der jeweiligen Epochen betrachten, beginnend Ende der 20er Jahre mit Benley Blower, Talbot 105, Bugatti 37 oder BMW 328 in Grid 1. Bis Ende der 70er Jahre mit den Boliden wie Porsche 935, Ferrari BBLM, Bizzarrini 5300, Sauber C5, Dodge Charger oder Renault Alpine in Grid 6. Aber wenn man von Zeltstadt zu Zeltstadt wandert, sieht man auch die Entwicklung der Fahrzeuge und Marken. Porsche 356, RSK, 911, 906, 910, 917, 911 RSR, 934, 935. Aston Martin Le Mans, DB2/4, DB3, DB 4 GT. Oder die One-Model-Wonder wie Ford GT 40, Tojeiro Climax, Sunbeam Tiger oder Shelby Cobra.

  • Die meisten Fahrzeuge sind in einem besser als neu Originalzustand, ergänzt oft um Überrollbügel, Käfig, moderne Sportsitze, in jedem Fall aber mit Notausschalter und Feuerlöscher. Alle Fahrzeuge brauchen einen Wagenpass der FIA, und alle Fahrzeuge müssen vor dem ersten Rennen zum Scrutineering, das heißt zur Abnahme. Die Marschalls überprüfen die Papiere und das Fahrzeug, und hin und wieder kann es vorkommen, dass ein Auto nicht abgenommen wird. Die Fahrer tragen die übliche Sicherheitsausstattung wie feuerfeste Unterwäsche (nicht alle), Handschuhe und Overall nach internationalen Sicherheitsvorschriften (fast alle), Helm und Handschuhe (alle).

  • Und dann geht es los. Qualifying. Bei Tag und in der Nacht. Und die Strecke hat es in sich. Absolute Höchstgeschwindigkeit wechselt sich ab mit engen Schikanen. Die Porschekurven, die Präzision und die berühmten „big Balls“ verlangen. Streckenteile mit viel und wenig Grip. Öffentliche Landstrassen ohne Auslaufzonen und ohne Pardon, Teile einer permanenten Rennstrecke mit viel Gummi auf dem Asphalt – schön im Trockenen, schmierig im Nassen. Dazwischen blutige Anfänger, die zum ersten Mal auf der Strecke sind und bei Nacht die Orientierung verlieren. Profis der 70er wie Redman, Poldi von Bayern, Ragnotti, Mass oder van Lennep. Profis der Jetztzeit wie Piquet, Dumas oder Bourdin. Die Geschwindigkeitsunterschiede sind enorm. Umfasst doch jedes Grid 10 Jahre. Da tritt ein Porsche 911 RS 3,0 gegen einen 935er an. Unterschied rund 500 PS. Ein Cooper T39 gegen einen Mercedes 300 SL. Oder ein Lotus Elan gegen eine Shelby Cobra.

  • Das Rennen startete am Samstag pünktlich um 17.00 Uhr mit Grid 1 und das Wetter in Le Mans hielt sich wie so oft an keine Regeln – es war alles dabei, Sonne, Wolken, Regen. Und der machte nicht nur den Fahrern zu schaffen. Viele Fahrzeuge hatten Probleme mit der Elektrik. Es ist aber vor allem auch der Geruch, der dieses Rennen auszeichnet: Verbranntes Öl, altes Leder, heiße Kupplungen, Angstschweiß, Benzin, und immer wieder die Grillfeuer überall an der Strecke. Am Sonntag dann überall glückliche Gesichter: Fahrer, die 30 Stunden nicht aus dem Rennanzug steigen konnten, Mechaniker, die nicht geschlafen hatten, Streckenposten, gezeichnet von Wind und Wetter, Ehefrauen, die Männer und Maschinen unbeschädigt wieder in Empfang nahmen, Besitzer, die ihre Autos unbeschädigt wieder auf die Trailer luden.

  • Und der meistgesprochene Satz in den Zeltstädten am Abend war wie immer: „See you in two years, my friend!“


    (c) Matthias Wetzel / Fotos: Stefan Bogner