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Die Welt ist ungerecht – vor allem, wenn man den Winter nicht in St. Moritz ausklingen lassen darf. Während wir Flachländer uns in diesen grauen Wochen mit Mühe aus dem Griff der Winterdepression zu befreien suchen, vergnügt sich die internationale Hautevolée auf 1.800 Metern in Sonne und Schnee mit einem ausgeklügelten Sport- und Regenerierungsprogramm. Und wenn man sich nicht gerade beim Cresta Run in den Eiskanal stürzt oder in der Sunny-Bar die Spätfolgen der vergangenen Nacht mit einem „Bullshot“ kuriert, kann man im Engadin am Steuer seines Automobils einige der schönsten Kurvenstraßen der Alpen erkunden.

  • Am vergangenen Samstag hatten die Petrolheads unter den Wintergästen noch einen weiteren Grund zum feiern: Wo sonst beim White Turf oder Polo on Ice die Pferde übers Eis preschen, bewiesen beim ersten International Concours of Elegance – kurz „The Ice“ – etwa vierzig lokale Autoenthusiasten ihren Sportsgeist, als sie sich mit ihren meist wenig wintertauglichen Sammlerautos auf den gefrorenen See von St. Moritz wagten. Organisiert wurde „The Ice“ von Marco Makaus, dem ehemaligen Mille-Miglia-Paten und gut gelaunten Grandseigneur der italienischen Automobilszene, und Fabrizio d’Aloisio, der den mythischen Ort St. Moritz als Kommunikationschef vertritt – und ebenfalls ein großes Herz für schöne Autos hat. Und so trafen sich rund einen Monat nach der Neuauflage des Eisrennens im österreichischen Zell am See wieder die wagemutigsten Winterfahrer der Zentralalpen, um sich beim automobilen Eiskunstlauf von den Fliehkräften den Bauch kitzeln zu lassen. Im Gegensatz zur groß angelegten Neuauflage des Eisrennens in Zell am See vor rund einem Monat ging es in beim Bündner Concours jedoch um einiges familiärer zu – gerade einmal 41 Autos standen am frühen Samstagmorgen auf dem Eis. Die Auswahl war jedoch so eklektisch und hochkarätig, wie man es wohl nur in St. Moritz erleben kann. Und so konnte man staunend beobachten, wie ein roter Lamborghini Countach 25th Anniversary mit monegassischen Kennzeichen und Sirch-Rodelschlitten auf dem Dach sich driftend über den Rundkurs bewegte, um kurz darauf von einem hochtourig brüllenden Ferrari F50 übertönt zu werden, der von seinem Besitzer – einem Helikopterpiloten – ohne Rücksicht auf Verluste zum Schliddern gebracht wurde. Mächtig Eindruck machte derweil auch die heilige Dreifaltigkeit der Lancia-Rallyelegenden Stratos, Delta Integrale und 037. Sogar einem Delta S4 im Martini-Gewand konnte man unter das knappe Rennkleid blicken, als er im Monte-Carlo-Drift an den Zuschauern vorbei driftete.

  • Besonderer Respekt für ihr fahrerisches Talent gebührte derweil den furchtlosen Piloten des Bugatti Type 35 – es gehören schon besondere Nerven dazu, einen offenen Vorkriegsrennwagen mit Spikes zu bestücken und auf einem zugefrorenen Bergsee an die Grenzen der Technik und Physik zu dirigieren. Belohnt wurden auch die stilecht in Kniebund- und Cordhosen gekleideten „Bentley Boys“, die ihren betagten 4 ½ Litre mit fliegenden Fahnen übers Eis jagten – und im Concours mit dem Publikumspreis belohnt wurden. Dem Ruf aus St. Moritz waren auch einige der illustren Persönlichkeiten der Automobilszene gefolgt. Simon Kidston war mit dem einstigen Mercedes-Benz 300 SL Flügeltürer seines Vaters aus Genf angereist – ihm verdankte sich auch der Auftritt jenes mythenumrankten Lamborghini Miura SVJ, der einst dem Shah von Persien gehörte. „Was gibt es besseres, als über einen gefrorenen See zu rasen, um seine Sinne zu wecken?“, gestand uns Kidston – und lachte: „Erzählen Sie es nur nicht ihrer Autoversicherung!“ Eugenio Amos, der Mann hinter dem Restomod- und Instagram-Phänomen Automobili Amos, hatte seinen Delta Futurista ausnahmsweise in der Garage gelassen und dafür einen wunderbaren, burgunderroten Ferrari 275 GTB mit nach St. Moritz gebracht. „Für mich war das die perfekte Veranstaltung“, schwärmte auch Amos. „Es war gleichzeitig exklusiv und demokratisch. Die Stimmung war perfekt, es gab keine Drama Queens– nur leidenschaftliche Menschen, die ihre Passion mit der Welt teilen wollten.“ Ronnie Kessel hatte aus Lugano gleich eine ganze Reihe von atemberaubenden Sportgeräten auffahren lassen – darunter gleich mehrere Exemplare des Pagani Huayra und einen atemberaubenden Ferrari 488 GT3 im St. Moritz-Livrée. Und zur Vorpremiere des GFG Style Kangaroo hatte sich sogar Design-Großmeister Giorgetto Giugiaro mitsamt seinem Sohn ins Engadin begeben. Ihr offizielles Debüt feiert das elektrische Super-SUV in diesen Tagen auf dem Genfer Salon. Es ist die internationale Mischung aus englischen, italienischen und bündnerischen Originalen und Exzentrikern, die St. Moritz so besonders macht – und die sich auch im Line-Up von „The Ice“ widerspiegelte. Denn auch wenn man hier einen Ferrari 365 GTB/4 Daytona als Spyder oder im NART-Look auf dem Eis bewundern konnte und der einstige Aston Martin DB4 von Sir David Brown sein Défilee absolvierte, erhielten auch bescheidenere, aber kreativ individualisierte Automobile wie der Mercedes-Benz S123 Kombi eines italienischen Journalisten ihren verdienten Applaus. Einzig einen Fiat Panda 4x4 – die inoffizielle Automobilikone von St. Moritz – würden wir uns beim nächsten Mal noch auf die Eisbahn wünschen.

  • (c) Text: Classicdriver - Pictures: The I.C.E. St. Moritz