Unterwegs am Ende der Welt. Gemeint ist die chilenische Straße RN9 durch den Süden Patagoniens. Vom Nationalpark „Torres del Paine“ hinunter nach Feuerland. Die Straße heißt tatsächlich „Fin del Mundo“ – Ende der Welt. Sobald man die Anden hinter sich gelassen hat, ist das Land flach, von Horizont zu Horizont gähnend weit, mit einem dünnen Teppich von hartleibiger Vegetation bedeckt. Und ein anderes Element prägt die Ebenen zwischen Atlantik und Pazifik: stetig fauchender Wind.
Wenige Kilometer nördlich von Punta Arenas wird er zur Ressource, ein großes Windrad dreht sich über der flachen Tundra-Landschaft, darunter ducken sich Industrieanlagen. Ein internationales Industrie-Konsortium rund um die deutsche Siemens will hier in Patagonien nachhaltige Treibstoffe produzieren. Enel, ExxonMobil, die chilenische Staatsgesellschaft ENAP und Empresas gehören zu HIF (Highly Innovative Fuels), der Betreibergesellschaft dieser Versuchsanlage im chilenischen Haru Oni. Porsche hat ebenfalls rund 100 Millionen Euro investiert, hält 12,5 % des Unternehmens HIF Global und will Abnehmer des in Chile synthetisch erzeugten Kraftstoffs sein. Wie das funktioniert? Weshalb Patagonien? Die Erklärung ist einfach: Der nie stillstehende Wind des Südens erzeugt viele Megawattstunden Strom – um ein Vielfaches mehr, als man in anderen Gegenden der Welt an konstant zur Verfügung stehender Windenergie ernten kann. Dieser Windstrom versorgt in Haru Oni eine Elektrolyseanlage mit Energie: Aus Wasser und der Atmosphäre entnommenem CO2 wird zuerst Methanol hergestellt und das anschließend in Benzin, Diesel oder Kerosin umgewandelt. Sozusagen grün erzeugter Kraftstoff für Flugzeuge, Schiffe und Autos. Die müssen beim anstehenden Umbau der globalen Mobilitäts- und Transportwege nicht aufgegeben und ressourcenfressend durch neue, alternativ angetriebene Transportmittel ersetzt werden, sondern können nachhaltig bis ans Ende ihres Lebenszyklus weiter betrieben werden. CO2-neutral selbstverständlich, denn obwohl beim Betrieb dieser bestehenden Verbrennungsmotoren CO2 ausgestoßen wird, hat man dieselbe Menge vorher für die Erzeugung des synthetischen Kraftstoffs der Atmosphäre entnommen. Ein Kreislauf entsteht.
Die Rechnung bezahlt dabei der Wind Patagoniens: Ohne seine nahezu kostenlose Unermüdlichkeit würde in der überaus energieintensiven Umwandlung von Wasser und CO2 in synthetischen Sprit die entscheidende Komponente fehlen, die Energie des Winds lässt aber die eigentlich nicht wirtschaftliche Rechnung aufgehen.
Gemessen am globalen Spritbedarf ist die in Chile hergestellte Menge an E-Fuel verschwindend gering, sie wird also selbst bei weiter entfesselten Produktionskapazitäten kaum etwas an den strategischen Umbauten der Antriebstechnologien ändern: weg vom Benzin. Für die längst überaus erfolgreich ins Geschäft mit Elektroantrieben eingestiegene Marke Porsche ist die E-Fuel-Investition in Patagonien also keine Handbremswende zurück ins Benzin-Zeitalter. Eher ein Bekenntnis zum nachhaltigen Wirtschaften: 65.000 Liter E-Fuel sollen ab 2023 die weltweiten „Porsche Supercup“-Rennserien versorgen, mittelfristig könnten E-Fuels zum Beispiel auch wertvolle Sportwagen-Klassiker CO2-neutral auf den Straßen halten.
HIF Global plant derweil in Chile den Ausbau der heutigen kleinen Anlage zu einem großen Werk, 50 Windräder mit einer Gesamtleistung von 320 Megawatt sollen dann die Produktion von jährlich bis zu 550 Millionen Liter E-Fuel ermöglichen. Ob die Sache also ein Erfolgsmodell wird, beantwortet Bob Dylan: The answer, my friend, is blowing in the wind.