Für den kleinen Ort Bernbeuren war das ehemalige Auerbergrennen, das zwischen 1967-87 von einer Renngemeinschaft der Motorsportclubs Kaufbeuren, Marktoberdorf und Schongau durchgeführt wurde, ein großes Ereignis. Hunderte Fahrer und tausende Besucher kamen selbst aus den angrenzenden Ländern zur einzigartigen Strecke an den Auerberg, um packenden Motorsport zu sehen. Samstags fuhren Motorräder und am Sonntag Automobile die 3 Kilometer lange Strecke auf den 1.055 Meter hohen Schwäbischen Rigi, bis vor genau 30 Jahren ein letztes mal die Startflagge geschwungen wurde.
Als wir im Oktober des vorigen Jahres unser Konzept den Gemeinderatsmitgliedern begannen zu präsentierten, war deren Begeisterung zuerst noch verhalten. Es gab etliche Versuche externer Veranstalter in den Jahren zuvor, die allesamt keinerlei Anklang fanden. Als während der Präsentation dann aber schnell klar wurde, dass dies eine Veranstaltung von und für den ganzen Ort werden soll, von der alle aktiv beteiligten Vereine und Einwohner profitieren sollen, kippte die Stimmung und so machten wir uns nach der erteilten Genehmigung zur nächsten Macht am Berg, den Landwirten. Fast alle waren sofort davon angetan und boten ihre Felder und Mithilfe an, denn von Beginn an war klar, dass dies eine Großveranstaltung werden und wir jede helfende Hand und jede funktionierende Maschine gebrauchen würden.
Mit diesen positiven Rückmeldungen in der Tasche gings zum Landratsamt. Bei der ersten telefonischen Kontaktaufnahme stiessen wir erst ein mal auf Gegenwind: „Warum sollte ich diesmal eine Genehmigung erteilen, wenn ich bereits 17 mal in den vergangenen Jahren Absagen erteilte“ war die ernüchternde Auskunft der semi-begeisterten Dame. „Weil wir ein besseres Konzept haben“, konterte unser Schatzmeister Jürgen Zillenbiehler gekonnt. Und so war es dann auch. Viele Monate, unzähligen Nachfragen und einer Ortsbegehung mit Polizei, Feuerwehr und Landratsamt-Dame später, erhielten wir den lang ersehnten Stempel unter der Genehmigung, zusammen mit allen erdenklichen Auflagen, die zur Durchführung einer motorsportlichen Veranstaltung mit Gleichmäßigkeitswertung von Nöten sind.
Von da an gings Schlag auf Schlag. Vereinsgründung, Steuernummer, Versicherungen, Finanzierungskonzept, Sponsorensuche, Pressemitteilungen und so weiter. Alles machbar, aber immer wieder mit ungeahnten Steinen am Wegesrand. Die Begeisterung und Überzeugung von uns fünf Organisatoren, dass dieser Event ein Erfolg werden würde, kam aber niemals ins Wanken. Spätestens als wir mit Ausschreibung und Nennung an die Öffentlichkeit gingen und förmlich von Anmeldungen überrannt wurden, bestätigten sich unsere Ideen. Bereits einen Monat vor geplantem Nennschluss hatten wir das selbstgesetzte Maximum von 170 Teilnehmern erreicht und mussten leider vielen Interessenten absagen.
Das Teilnehmerfeld zu finden war noch die einfachste Übung. Alles Weitere musste erst mal theoretisch bis ins Detail zigmal durchgespielt werden – es gab keinerlei Erfahrungswerte, ob der Platz im Fahrerlager ausreicht, wie die Verpflegung durch die ortsansässigen Vereine koordiniert wird, welches Bier ausgeschenkt und wie Flaschenpfand gehandhabt werden soll, wie viele Streckenposten und Helfer wir benötigen würden und vor allem – wer am Ende nicht nur die 1.200 Strohballen, die wir freundlicherweise vom benachbarten MSC Steingaden geliehen bekamen, aufräumen wird? Spannende und konstruktive Abende haben wir in unserem Vereinsheim, der Küche eines Vorstandsmitglieds, verbracht.
Als der erste Veranstaltungsmorgen näher rückte und die Wettervorhersagen immer schlechter, waren wir bestens vorbereitet und auch nicht durch 8 Grad Celsius und Dauerregen aus der Ruhe zu bringen. Das Fahrerlager war proppe voll mit tollen Maschinen und noch tolleren Fahrern und Fahrerinnen, die Stimmung dem Wetter entsprechend aber leicht betrübt. Nach dem Teilnehmer-Transfer vom Fahrerlager durch den Ort bis zum Startbereich, stieg das Stimmungsbarometer nur leicht, denn bekanntlich ist bei Bergrennen das Warten auf den Start immer etwas zäh, und Zuschauer trauten sich nur wenige aus ihren warmen Stuben.
Der erste Trainingslauf verlief reibungslos und der gesetzte Zeitplan wurde optimal eingehalten. Als nachmittags zum zweiten Trainingslauf dann der Regen stoppte und endlich auch Zuschauer entlang der Strecke zu sehen waren, hob sich die Stimmung bei allen Beteiligten merklich. Gestartet wurde in sechs Wertungsklassen, mit den ältesten Fahrzeugen zuerst, Seitenwagen fuhren als letzte Gruppe. Bei der Rückführung vom Auerberg zum Fahrerlager blinzelte schließlich sogar die Sonne hervor und so nahm der erste Trainingstag ein gutgelauntes Ende, der bei einer Abendveranstaltung mit Buffet und Livemusik in der Gemeindehalle nebenan bis spät nachts andauerte.
Als am Sonntag morgen der erste Wertungslauf vom Österreicher Gernot Schuh auf einer 1925er Moto Guzzi C4V eröffnet wurde – übrigens auf den Tag genau 50 Jahre nach dem ersten Auerbergrennen – waren alle Wetter- und Zuschauersorgen vergessen. Zwar war der Asphalt noch ein wenig nass, aber im 45 Sekunden Takt startete eine Rarität nach der anderen: Cotton Python, Scott Squirrel, Calthorpe Bradshaw und Ivory Sport, James A4 Super Sports, Standard BT 500, Norton Inter, Rudge Ulster, NSU Bullus, BMW R5 – um nur einige zu nennen, gefolgt von Renn- und Straßenmaschinen bis Baujahr 1979. Ein breit gefächerter und gut funktionierender Mix aus Maschinen und Fahrern, größtenteils rennerfahren, aber auch Benzin getriebene Neulinge und Lokalhelden, die Rennatmosphäre schnuppern wollten.
Nach dem ersten Lauf wurde wieder wie bereits am Tag zuvor gemeinsam im Gasthof auf dem Auerberg Mittag gegessen, Benzin-Gespräche geführt, neue Bekanntschaften geschlossen. Dann gings wieder runter ins Dorf, um sich für den zweiten Wertungslauf zu positionieren. Schon von Weitem war eine riesige Menschentraube zu erkennen, die den Wartebereich entlang zum Start pilgerte. So hatten wir uns das in unseren Träumen erhofft! Nicht nur wir Veranstalter sondern auch viele Fahrer waren vollkommen begeistert, bei einem Oldtimer-Rennen so viele Zuschauer, teils auch in stilechter Kleidung (inklusive Best-Dressed Wettbewerb!), zu sehen! Von da an war in den Gesichtern eine unglaubliche Freude zu sehen: viele Zuschauer fühlten sich in ihre Jugend zurückversetzt und freuten sich so nah am Geschehen sein zu können. Als wir Veranstalter dann noch über Funk vom überfüllten Marktplatz erfuhren, auf dem wir ein Oldtimer-Treffen für Autos und Motorräder organisierten und dazu noch rare Ausstellungsfahrzeuge des BMW Museums München und Motorsportmuseum Hockenheimring zeigen konnten, war für uns die Welt wieder in Ordnung – bis wegen eines Sturzes des Österreichers Christian Nachbaur mit der Starnummer 132 auf Martini BMW in der Skiliftkurve ein Rettungshubschrauber geordert werden musste, es auch noch kurz darauf am Ziel sogar hagelte sowie entlang der Strecke Starkregen einsetzte. Dramatische Momente. Glücklicherweise waren die Verletzungen des Fahrers nicht lebensbedrohlich (Rippenbrüche, Schulter, Milzanriss) und so konnte die Strecke nach 20 Minuten Unterbrechung durch unserem Rennleiter Christian Natzeder und 'Coco' Unterreiner wieder freigegeben werden.
Am Ende waren es 7.000 Zuschauer, die zu unserer Erstveranstaltung kamen! 350 Helfer hatten wir das Wochenende über im Einsatz und die monatelangen Vorbereitungen haben sich mehr als gelohnt. Zwar nicht finanziell, aber in den vielen dankenden und anerkennenden Worte durch Besucher und Fahrer. Die Euphorie und Begeisterung, die das ganze Wochenende über im kleinen Dorf am Auerberg herrschte, war unglaublich. Und so ist es für uns Veranstalter eine Selbstverständlichkeit, dass wir die 'Auerberg Klassik Tage' fortführen werden. In welchem Turnus entscheiden wir, nachdem etliche Nachbesprechungen geführt wurden, unter anderem mit der Dame vom Landratsamt. Dann werden wir sehen, ob Absage #18 oder Fortführung auf unbestimmte Zeit.
Gesamtsieger und somit Bergkönig 2017 wurde übrigens der aus Immenstadt stammende Ali Kaba auf einer Honda CBX 1000 (der bereits in den 1980er Jahren am Auerberg-Start war!) mit einer unglaublich geringen Zeitdifferenz aus den beiden Wertungsläufen von 0,07 Sekunden. Anni Wakolbinger aus Österreich wurde Siegerin der Damenwertung, gefolgt von Erika Stadler und Marion Bender.
Text: Hermann Köpf - Fotos: Hermann Köpf, Fabian Kirchbauer, Martin Ratkovic