Wir sind in Südtirol eingeladen, um den neuen Audi Concept C zu fahren – bevor es losgeht: Flashback: Audis Transformation in den 1980er und 1990er-Jahren gilt als eines der erfolgreichsten Beispiele für Markenwandel in der Automobilgeschichte – vom braven Mittelständler mit Ingenieursbrille zur selbstbewussten Designikone. Bei Audi hatte man bereits ab Mitte der Achtziger Fahrt aufgenommen, kam mit einzelnen Leuchtturm-Initiativen immer wieder vor die Mainstream-Welle. K-Jetronic im Audi 80 GTE, bevor es das im Golf GTI gab. Erster in Deutschland mit Katalysator-Technik. Dann der Kampf gegen den Rost mit vollverzinkten Karosserien. Der Aerodynamik-Audi 100. Ende der 1980er dann: Turbodiesel. Und procon-ten als Sicherheitstechnologie. – Wirklich beschleunigt und zum Markenprinzip erklärt wurde der Wandel damals aber von Ferdinand Piëch, der 1988 die Marke übernahm und sie zum Labor deutscher Präzision und technischer Kühnheit machte. Sein Motto: Fortschritt nicht erklären, sondern gestalten. Technologisch setzte Audi Maßstäbe: der weiterentwickelte Quattro-Allradantrieb – jeder erinnert sich noch an die legendäre Skischanzen-Werbung – und der revolutionäre Aluminium-Space-Frame des A8 (1994) haben sich in der Marken-DNA regelrecht eingebrannt. Doch der eigentliche Quantensprung lag im Design: Unter der Führung von Hartmut Warkuß und vor allem Peter Schreyer entstand eine klare, reduzierte Formensprache. Der A4 (1994) brachte diese Linie in die Mittelklasse, Freeman Thomas’ TT (1998) wurde zum rollenden Statement minimalistischer Perfektion, und der A2 (1999) wagte den Sprung in eine futuristische Leichtbauwelt – leicht, effizient und seiner Zeit weit voraus.
„Vorsprung durch Technik“ wurde bei Audi tatsächlich nicht als Slogan verstanden, sondern als Haltung. Audi dachte sich als intelligente, designbewusste Alternative zu Mercedes-Würde und BMW-Dynamik. Ende der 1990er war der Wandel vollzogen: Aus dem biederen Ingenieurshersteller war ein Avantgardist geworden – eine Marke, die zeigte, dass deutsche Technik und starkes Design Sinnbild für ein neues deutsches Selbstverständnis sein können. Jeder wollte einen Audi fahren.
30 Jahre später steht die Marke ganz augenscheinlich wieder an einem ähnlichen Punkt. Durch das enormes Wachstum der letzten Jahrzehnte hat sich Audi stark verändert und inzwischen vielleicht sogar die Fokussierung verloren. Gleichzeitig hat sich die Automobillandschaft in den letzten Jahren radikal verändert: Asiatische Hersteller fliegen mit geschärftem Selbstbewusstsein und Entschlossenheit an den etablierten Autoherstellern vorbei. Märkte verschieben sich – das Wissen und Design, das wir in den letzten Jahrzehnten exportiert haben, ist zum Bumerang geworden. Massive Unruhe, maximale Verwirrung. Neuausrichtung ist gefragt. Full Stop. Restart.
Gernot Döllner kommt als neuer CEO 2023 an Bord. Die Challenge heißt: sich neu erfinden. Die Ausrichtung: Radical Next. Strive for Clarity. Während sich andere Hersteller nach dem Motto more is more auf die „Mediamarktisierung“ ihrer Infotainmentsysteme stürzen, sich in der „All-you-can-get“-Abteilung Elektromotoren besorgen, die locker 1000 PS in einen SUV wuchten, und nach einer eigenen Designsprache suchen (BMW: „Neue Klasse“, Mercedes: „Sinnliche Klarheit“), geht Audi seinen eigenen Weg – denselben, auf dem schon in den 90er-Jahren der Kompass hieß: Less is more. –
Ab jetzt: Lichtgeschwindigkeit. Das Audi-Designteam um Massimo Frascella (Bertone, Kia, Land Rover, Range Rover; seit 2024 bei Audi an Bord) nimmt sich die Audi DNA vor, deren Herkunft und auch »das Deutsche«. Dass die Deutschen immer noch Vorbild für gutes Design und hervorragende Technologie sind, nutzt man bei Audi als Lackmustest für Unternehmens-, Design- und Kommunikationsausrichtung. Wenn man im Ausland, etwa in Asien, mit einem deutschen Auto auftaucht, sieht die Reaktion eben immer noch so aus: „Oh, Deutschland! Goethe! Bauhaus! Autobahn!“ – Während wir Deutschen also immer noch in der für uns üblichen Selbstkritik-Nabelschau verfangen sind, hat man in anderen globalen Kulturen immer noch eine sehr klare und positive Vorstellung von „Deutschness“. Da ist nichts abgeschrieben oder angezählt – man wartet nur auf den nächsten Energie-Push aus Deutschland. Aber wie findet man so schnell einen neuen Designer für diese Position? Gernot Döllner: „Massimo Frascella ist ein Visionär und hat in seiner Karriere schon viele Ikonen geschaffen, deshalb wollte ich ihn treffen. Direkt in unserem ersten Gespräch war uns nach 45 Minuten klar, dass wir eine gemeinsame Vision für Audi haben. Es hat einfach alles gestimmt. Ab und zu ist alles ganz einfach und geht ganz schnell.“
Das Team um Audi-CEO Gernot Döllner und Designchef Massimo Frascella will bei der anstehenden Neufokussierung nicht der Versuchung verfallen, es allen recht machen zu wollen, sich in einen letztlich schwammigen, globalen All-you-can-get-Bauchladen zu verwandeln, sondern einen anderen Weg gehen. Sinnbildlich zieht man sich für ein paar Monate in sich zurück, geht die Ahnengalerie ab und begutachtet jedes Modell der Historie akribisch – die Archive werden gesichtet. Alles abschütteln. Keine Ablenkung. Zen-Garten, Trend-Schlacke loswerden. Hier destilliert sich die Idee der „radikalen Einfachheit“.
„Wir haben uns angeschaut: Was sind unsere Wurzeln? Was ist unsere Genetik? Darauf aufbauend haben wir den Sprung in die Zukunft gemacht“, so Gernot Döllner. Frascella betont die Bedeutung von Klarheit, Präzision und perfekten Proportionen – in der Gestaltung der Fahrzeuge ebenso wie im Unternehmen und in der Kommunikation. Es geht um eine zeitlose, anspruchsvolle Designsprache – mit klarem Blick und klarer Haltung. Und was ist „Vorsprung durch Technik“, wenn Technik heutzutage schnell austauschbar wird? – Gernot Döllner: „Es ist die Summe vieler Dinge, die einen Audi zu einem Audi machen. Das ist zum einen das Zusammenspiel der Technik wie es in der Audi-DNA einzigartig ist. Aber auch Reize aus der Vergangenheit gehören dazu und sollen in der Zukunft erhalten und wiedererkennbar bleiben. Ich denke da zum Beispiel an ein virtuelles Schaltgetriebe als emotionalen Trigger. Es geht auch darum, wie etwas klingt, also um die Akustik. Und natürlich auch um unseren Qualitätsanspruch, der als typisch Audi sichtbar und spürbar wird. Es ist also die Gesamtkomposition des Autos, die entscheidend ist: Anmutung, Materialität, Gestaltung, Atmosphäre im Innenraum. Genau da kann man wirklich den großen, entscheidenden Unterschied machen. Dazu kommen viele neue Innovationsfelder, vor allem bei der Software in Kombination mit gut gemachter Hardware, die Interaktionen ermöglicht, die tatsächlich Spaß machen.“
Strive for Clarity – das manifestiert sich rund um vier Säulen: Klarheit, Technik, Intelligenz und Emotion. Und der Audi Concept C ist die erste Materialisierung dieser neuen, dabei tief in der Audi-Geschichte verwurzelten Haltung. Bei den Präsentationen in Mailand und auf der IAA war die Botschaft augenblicklich klar – für Kopf, Herz und Bauchgefühl. Das Auto selbst wirkt wie eine Reinkarnation, und als Kunde betrachtet, schwingt „die deutsche Lehre“ von Bauhaus und Ulm mit, deren Lehrer Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe waren. Dieter Rams und Otl Aicher sind gedanklich ebenfalls an Bord. Less is more – fokussier dich.
Das Designteam schafft aber noch mehr: die Audi-Traditionen in die Neuzeit zu transportieren und zugleich die eigene Geschichte mitzunehmen. Der Wagen zitiert den stromlinienförmigen Grand-Prix-Rennwagen der früheren Auto Union, das Audi Avus quattro-Konzept von 1991, den legendären Audi TT und den R8. Der Wagen wirkt wie aus einem Aluminiumblock gefräst. Innen herrscht eine Klarheit, wie man sie in Zeiten von immer bedeutungsloser und beliebiger werdenden Digital-Exzessen nur selten findet – Haptik, Einrasten, Klicken. Selbst Mercedes-Designchef Gorden Wagener scheint das unruhig zu machen; er teilt kräftig aus: „Wie ein Wagen aus 1995.“ – Ganz genau, Gorden. Unsere Devise: Zeitlosigkeit. Und wie war das noch mal mit der „sinnlichen Klarheit“? – Was, wenn Audi Erster ist bei der Refokussierung? Kein Schnickschnack, kein Firlefanz. Stattdessen deutsches Design aus der Zentrifuge des neuen, selbstbewussten Seins Ingolstadts – alles an seinem Platz, at its best in Materialität: Minimum ist Maximum ist Minimum.
„So wie wir unsere Modelle gestalten, gestalten wir auch unser Unternehmen“, ergänzt Audi-CEO Gernot Döllner. Die neue Designphilosophie ist somit ein ganzheitliches Unternehmensprinzip, das sich auch in der Organisationsstruktur widerspiegelt. „Klarheit ist Haltung und Kompass, der Audi in die Zukunft führt.“ Auch in der Kommunikation gibt es News - Audi-Markenchef Andreas Henke der seit April an Bord ist und kein Neuling in der Automobilindustrie ist: Für unsere Positionierung als begehrenswerte, erste Wahl einer progressiven Premium-Zielgruppe haben wir ein paar Akkorde angeschlagen, die noch lange nachhallen werden. Wie eine Art Grundrhythmik haben wir den generellen Vibe für die Marke angelegt, über den künftig verschiedene Melodien gelegt werden können. Das Beste an der Musik steht nicht in den Noten – das ist bei diesem kommunikativen Ansatz nicht anders. Ein Auftaktfilm mit Harris Dickinson darf großartig choreografiert an die s/w-Filme des deutschen und französischen Arthouse-Kinos erinnern und ein künstlerischer Gegenpol zu Insta-Reels und TikTok sein, der Ruhe schenkt. Das Corporate Design wird überarbeitet, und der neue Messestand ist eine Ansage: Ein Auto, vier Ringe, 50 Shades of Grey, eine schlüssige Story. Less is more. Die Leute stehen Schlange. Läuft.
Die Avantgarde beweist sich, wenn sie daheim ankommt – wenn deutsches Design nicht nur in Museen und Universitäten zu finden ist, sondern in jedem Haushalt: In jeder Wand steckt ein Fischer-Dübel, Türklinken von FSB und ERCO-Leuchtsysteme, Thonet-Stühle finden sich weltweit – die Liste ließe sich endlos fortsetzen. In Südtirol können wir den Audi Concept C live erleben. Und er zeigt, wie er die letzte wichtige Zutat aus dem Vier-Säulen-Programm spielt: Emotion.
Wir treffen das Audi-Team und Gernot Döllner; er freut sich auf den heutigen Fahrtag. Wir begegnen ihm als intrinsisch begeistertem CEO mit klarer Vision und Strategie. Döllner strahlt Mut und Begeisterung, Vertrauen und Zuversicht aus – sehr leidenschaftlich, menschlich, nahbar und geradeaus.
Und da steht er – der »Audi Concept C«, vor dem Hotel geparkt, und er hat damit das Museale abgelegt. Man will ihn anfassen. Sofort zaubert das Auto ein Lächeln aufs Gesicht. Aus den Bildern und von der Messe kennt man ihn, doch hier wirkt er kleiner, handlicher, greifbarer – er strotzt vor Klarheit und Selbstbewusstsein, ohne laut zu wirken, ist subtil und gleichermaßen präsent. Man weiß nicht genau, was einen erwartet, aber die Freude ist sofort da, fast ein Reflex: einfach einsteigen und losfahren. So geht es auch den Hotelgästen. Das Auto steht einfach da, offen, einladend ohne Barrieren und Showeffekt. Wer vorbeigeht, bleibt stehen. Freut sich. Daumen hoch. Trotz des klaren, fast architektonischen Gesamtbildes ist da eine Welt aus feinen Details, die auch nach mehrfachem Hinsehen nicht langweilig werden. Alles wirkt ruhig, souverän, voll Understatement. Nichts schreit, nichts drängt sich auf – es ist alles perfekt komponiert. Die Materialien: haptisch erstklassig. Die Verarbeitung: makellos. Wir haben uns in keinem Moment Gedanken darüber gemacht, um welche Art von Fahrzeug es sich handelt – Verbrenner, Elektro … egal – das ist uns noch nie passiert. Die Tür öffnet sich – alles in Grautönen und Aluminium getüncht, unterstrichen durch eine sanfte, monochrome Farbwelt. Die Materialien, Aluminium, die Stoffe, die Oberflächen – alles scheint mit Bedacht ausgewählt. Jedes Instrument sitzt genau dort, wo es intuitiv abgelesen werden kann. Sofort fallen einem die herrlich haptischen Taster und Knöpfe auf, man frohlockt über Schalter und Drehräder, die wunderbar »rasten«. Keine virtuellen Taster, versteckt unter einer glänzenden Oberfläche – was für ein erfrischender und kluger Gegenentwurf zu den von XL-Monitoren erschlagenen Mainstream-Interieurs. Einen Monitor gibt es natürlich trotzdem, er ist auf Wunsch wegklappbar, hat genau die richtige Größe. Analoge Wärme, digitales Herz.
So sieht die moderne, zukunftsorientierte Interpretation von „Vorsprung durch Technik“ aus. Man spürt die Menschlichkeit hinter jedem Detail, die Sorgfalt der Designer. Auf dem Moodboard der Designer stellt man sich Giorgio Armani und Jil Sander barfuß im Zen-Garten vor. Ruhe, Kraft und Klasse, zeitlos und tragbar. Intensiv erlebbar.
Wie schafft man das in so kurzer Zeit? Im Gespräch mit dem Interior-Designer Marwan Khiat wird deutlich: Als Massimo Frascella nach drei Wochen ein Moodboard für das globale Team von Asien über Amerika bis Ingolstadt vorlegte, zeigte sich, wie kollektive Kreativität funktioniert. Jeder Designer konnte sich einbringen, wurde mitgenommen. Das Ergebnis, das in Ingolstadt gefertigt wurde und nicht wie sonst üblich ausgelagert wird, ist ein echtes Gemeinschaftswerk, auf das alle stolz sein dürfen. Und genau diese Harmonie aus Vision, offener Führung und individueller Kreativität macht das Concept C zu einem einzigartigen Erlebnis. Mobilität wird hier neu definiert. Das Auto stellt den Menschen in den Vordergrund, die Technologie tritt dezent in den Hintergrund. Digital und analog sind beste Freunde: perfekt aufeinander abgestimmt, wo nötig eingesetzt, wo nötig zurückhaltend. Gernot Döllner schafft einen Freiraum für neues Denken – in einem alteingesessenen Unternehmen wie Audi kommt das einer Revolution gleich. Die ganze Firma wird „gechallenged“, das Beste für Audi und die Kunden zu machen – möglichst kompromisslos.
Aber jetzt: Proof of Concept – losfahren. Man fühlt sich sofort wohl, fast zuhause – alles ist an seinem Platz. Es geht hoch ins Kurvenräuber-Revier, den Würzpass – eine sehr enge Straße. Der »Conzept C ist fantastisch abgestimmt (wir fahren einen Prototypen!!!), German Engineering – dem kann man einfach nichts vormachen. Das spürt man hier mit jeder Faser: der »Conzept C« fliegt und tanzt dahin, schnell wie ein Gepard, wendig wie ein Wiesel. Es ist eine wahre Freude und schwer in Worte zu fassen – Freudentränen? Auf dem Würzjoch müssen wir auch mal in die Eisen treten – die Enduro-Motorradfraktion ist ebenfalls unterwegs. Test unter realen Bedingungen also – geht!
In Zukunft können wir uns auch noch über eine virtuelle Gearbox freuen – mal sehen, was das mit uns macht. Wer einmal in einem Elektrosportler gesessen hat, mit tiefem Schwerpunkt und druckvollem, ansatzlosem Antriebs-Punch, faszinierendem Flow, bekommt ein Update für die eigene Betriebssoftware zum Thema Elektromobilität im Kopf aufgespielt. Der »Conzept C« ist ein Auto der Zukunft, das organisch fährt, intuitiv reagiert und dabei pure Fahrfreude vermittelt. Kurven, Drehmoment in den Bergen – alles fühlt sich spielerisch, aber präzise an. Alles nimmt sich zurück, damit die Umgebung zur Bühne wird – Landschaft, Stadt, Natur. Der Sound fügt sich unaufdringlich ins Erlebnis ein: mechanisch, subtil, nie aufgesetzt.
In Summe ist das Konzept C kein lautes Statement, kein Showcar voller Gadgets, sondern ein durchdachtes, emotionales Gesamtkunstwerk. Jede Entscheidung – von Drehreglern über Instrumente bis hin zur Fahrdynamik – ist auf den Menschen ausgerichtet. Das Auto fühlt sich analog an, mit einem digitalen Herz. Es inspiriert, lässt die Barrieren im Kopf verschwinden und zeigt, wie Elektromobilität wirklich begeistern kann. Man denkt nicht mehr nach, wie er angetrieben ist – er definiert sich selbst. Offen elektrisch fahren wird so zu einem völlig neuen Erlebnis: die Natur, die Umgebung, die Kurven der Bergstraße – alles wirkt intensiver, unmittelbarer. Audis Concept C ist nicht nur ein Auto, es ist eine Einladung, die Zukunft der Mobilität zu erleben. Er ist perfekt kuratiert, speist sich aus Ruhe, Freude, Balance und einem tiefen Gefühl von Menschlichkeit.
(c) Text & Fotos: Stefan Bogner - Thank you: Philipp Heitsch for sharing the experience and beiing a great »Sparringspartner«














