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Wenn man sich mit Dr. Erik Brandenburger bei seinem Fuhrpark trifft, denkt man, man hat alles gesehen. Diverse Rallye-Porsche, Safari-Käfer, Lancia Delta Integrale, 911 RUF, MAN Rothmanns Truck, usw. sind dem aufmerksamen Leser sicherlich bekannt. Bei diesem Fuhrpark würde selbst der Porsche-Guru Magnus Walker vor Neid erblassen. Und nach jedem Fotoshooting denkt man, mehr geht nicht, das kann man nicht toppen. Tja, vor einigen Wochen kam eine kurze E-Mail mit einem kleinen Foto als Anhang ...

  • Hubraum, Drehmoment, Preis, Beschleunigung, Topspeed – alles fraglos interessante Parameter im Autobereich, aber sie würden dem Porsche 934 nicht gerecht werden. Bei dem sorgt ein anderer Wert für Kaltverformung der Wirbelsäule, Fehlzündungen im Nischl und Dampfblasenbildung im Magen. Diese Zahl lautet schlechtestenfalls 2,3 und bestenfalls 1,88, und nein, dabei handelt es sich nicht um den Ladedruck dieser brutalen Porsche 930-Rennausführung. Es ist das Leistungsgewicht und besagt, wie viele Kilogramm jeder Gaul zu schleppen hat. Je günstiger dieses Verhältnis ausfällt, desto besonnener ist der Fahrer besser im Umgang mit Gaspedal und Lenkrad oder tags drauf zweifelhafter Star des Polizeiberichts und womöglich auf längere Zeit zum Radfahren verdammt. Statt auf dem Gelsattel nimmt der Eigner der Zuffenhausener Rakete jedoch viel lieber im Recaro-Sportsitz Platz und kann nur bestätigen, dass erhöhte Vorsicht absolut geboten ist: „Das wäre in der Tat ein teurer Spaß und könnte den Wagen wieder in den Verkaufszustand bringen. Als ich ihn vor einem Jahr auf mobile.de fand, hatte der 1986er Elfer Turbo nämlich noch einen schweren Frontschaden, und ich erwarb die Ruine als rolling chassis.“ Also aufatmen, der Doc macht Norddeutschland nicht in einem werksseitigen 934 unsicher. Statt mindestens den 485, 540 oder gar 600 PS der in den Jahren 1977 und 1979 gebauten 934er gehen hier „nur“ 300 muntere Traber zu Werke. Das Originaltriebwerk hatte sich, so der Befund des Porsche-Fans, nach knapp 30 Jahren erst einmal eine Revision beim Hersteller in Stuttgart verdient. Den Motor, das Viergang-Getriebe und die Sitze konnte er übrigens zwei Wochen nach Fahrzeugkauf demselben Verkäufer, der eine des seit 18 Jahren herumstehenden und zerknautschten Gerümpels überdrüssige Erbengemeinschaft aus Ungarn vertrat, abschwatzen – auf der Durchreise nach Sylt…

  • Das Gruppe-4-Reglement erlaubte seinerzeit kaum Karosserieänderungen beim Rennwagen gegenüber dem 930-Serienmodell. So gab es lediglich die aufgenieteten Kotflügelverbreiterungen aus Kunststoff, die dem Wagen insgesamt 100 mm an Breite hinzufügten – die Turbokarosserie baute ja ohnehin schon recht ausladend. Die tief herabgezogene Frontschürze beschickte über Lufteinlässe links und rechts außen die beiden Wasser-Luft-Wärmetauscher der Ladeluftkühlung, während die beiden inneren Einlässe den vorderen Bremsen eine frische Brise zukommen lassen und der zentrale Schlitz einen Ölkühler beherbergt. Der Kofferraum wurde mit einem 120-Liter-Tank samt zweier Schnelltankstutzen, der obligatorischen Feuerlöschanlage, dem aus dem Motorraum verbannten Öltank sowie der Batterie vollgestopft. Da das Reglement leichte Plexiglasscheiben verbat, blieb es bei der Serienverglasung, einige Verstärkungen zwecks höherer Verwindungsfestigkeit waren indes zulässig. Um in der Gruppe 5 der Marken-WM starten zu können und mehr Möglichkeiten beim Aufbau zu haben, bauten einige Teams ihre 934 gemäß Gruppe-5-Spezifikationen auf, was den doppelten Heckflügel á la 935 umfasste. Das Umrüstkit holte man in Zuffenhausen direkt unterm Tresen hervor, nach erfolgtem Umbau hießen die Fahrzeuge dann Porsche 934/5. Und genauso einer schwebte Erik vor, seitdem er diesen Knaller an Optik mal in einschlägigen Herrenblättern á la sport auto gesehen hatte. Doch zunächst ging es auf die Celette-Richtbank, wo Experten einen gebrauchten, aber heilen neuer Vorderwagen ans Turbowrack adaptierten. Danach reist der 930 als Trailerqueen zu DP Motorsport, von dessen Arbeit Erik heute noch schwärmt: „Dieser tolle Profibetrieb von Familie Zimmermann hat sich um das gesamte äußere Finish und die Karosserie-Modifikationen gekümmert. Dann verpassten die Jungs vom Lackier-Service Lauest Schmidt in Norderstedt ein makelloses Farbkleid im originalen Silbermetallic, und dann hieß es endlich ‚Komm zu Papa!‘“ Das markante Martini Racing-Ornat klebte die ebenfalls in Norderstedt ansässige Firma Ohlala wie gewünscht ohne Knicke oder Blasen auf, womit das Exterieur abgeschlossen und das Fahrwerk an der Reihe wäre. In den GT-Rennwagen erforderte jenes ebenfalls Seriennähe; Federung, Dämpfer, Achsen und Bremse durften aber modifiziert werden. Glücklicherweise war der Porsche 930 schon ab Werk mit einer sehr robusten Radaufhängung und -führung gesegnet, sodass vorn die Serienradlager verbleiben und hinten hinteren Alugusslenker aus der Serie mit härtere Unibal-Gelenklagern verbleiben konnten. Dieses Upgrade klemmte sich der Hamburger aber erst einmal. Das einst durchs GT Reglement bedingte hohe Fahrzeuggewicht von 1.120 kg verlangte verstärkte Stoßdämpfer, um für Sicherheit bei hohem Tempo zu sorgen. Die serienmäßigen Torsionsfedern wurden durch höhenjustierbare Schraubenfedern ergänzt. Achtern hielt ein Rohrstabilisator Einzug, an der Vorderachse fanden Stabis vom Porsche 911 Carrera Verwendung. Bei über 300 Sachen Spitze war standfeste Verzögerung Pflicht, wozu die Tüftler auf Porsche 917 Teile zurückgriffen. Rundum hatte der Wagen innenbelüftete und gelochte Stahlbremsscheiben mit Vierkolben-Zangen aus Aluminium. Zugunsten flotterer Radwechsel und höherer Festigkeit machten die Fünfloch-Naben solchen mit Zentralverschluss Platz. Der 934 bekam vorne 275/600er und hinten mit 325/625er Gummis, die auf 10 respektive 12,5 Zoll breite, dreiteilige 16-Zöller von BBS gezogen waren. Dieses im Alltag unpraktische Detail der Radmontage sparte sich der Doktor, als er mit drei guten Männern aus der Porsche-Szene die Restarbeiten erledigte. Vorne rotieren nun 9x15er Füchse mit 225/50er Pneus, während auf der Antriebsachse 14x15er Felgen aus gleichem Hause mit noch breiteren 345/40er Walzen genügend Traktion sicherstellen.

  • Renntypisch fiel der Fahrgastraum des Porsche 934 verglichen mit dem Serien-930 reichlich leer aus: Der Pilot wurde in einer Rennschale mit Sechspunkt-Sicherheitsgurt verzurrt, während der Beifahrersitz, die Fondsitze und die Bodenverkleidungen rausflogen. Stattdessen gab es einen Überrollbügel aus Aluminium, und die Serieninstrumente für die Drehzahl, Öltemperatur und sowie -druck bekam Gesellschaft von Anzeigen für Ladedruck und Spritförderung. Die Lautsprecher in den Türverkleidungen und das Radio wären durchaus verzichtbar gewesen, denn Doktor hat gegen Trübsal und Langeweile ein besonderes Rezept: einen feingewuchteten K27-Monolader, dem direkt der doppelrohrige Stummelauspuff folgt! Dessen beängstigendes Grollen bringt rascher Aufmerksamkeit als ein Martinshorn, während bei Überdruck aus dem seitlichen Wastegaterohr schlagende Flammen dabei den Part des Blaulichts übernehmen. Kein Wunder, dass der Doc am Volant zur Dopaminschleuder mutiert. „Oh ja, das Fahren macht sowas von Spaß! Der zischt ab wie sonstwas und erlaubt unfassbare Kurvengeschwindigkeiten, da wurde so manchem Beifahrer schon Angst und Bange. Aber die Umwelt sieht den Porsche halt typisch Deutschland sehr skeptisch, nur wenige Daumen gehen nach oben. Dafür gibt’s viele Fahrer, die dicht auffahren.“ Müssen sie ja. Ohne Blick aufs Typenschild am Heck erführen sie ja nie, welches Flügelmonster gleich gen Horizont verschwindet. Die Flucht nach vorn könnte in Zukunft übrigens noch wesentlich schneller von statten gehen, denn aus französischer Schlachtung brachte Erik jüngst ein halbes 935 Bergrennauto inklusive des 650 PS leistenden Biturbo-Boxers mit: „Sollte der jetzige in der Zukunft nicht ausreichen – Feuer frei, rein das Ding!!!“

  • Fotos: Marcus Krüger WWW.PHOTO-KRUEGER.DE, Text: Arild Eichbaum